Manchmal braucht man für große Dinge gar nicht so viel Zeit. In nur zwei Tagen spielten Helmut Debus und seine drei Mitstreiter "Dreihen un Weihen" , das seit 1976 insgesamt 18. Werk des Braker Songwriters und "plattdeutschen" Poeten, im Bremer Thein-Studio ein. Voraus gegangen waren zwei Treffen, nachdem Debus die Band mit Michael Jungblut (Gitarre), Bahli Bahlmann (Drums) und Iko Andrae (Bass) irgendwo "live" hörte und auf Anhieb wusste, dass dieser Sound seinen neuen Songs gut stehen würde. Die drei Musiker verstehen sich auf "Shantybilly", eine recht eigentümliche Mixtur aus Rockabilly, Shanty & Rock´n Roll, obendrein gepaart mit Singer-Songwriter-Musik und Country. Keine schlechte Grundlage also für den "Leederkerl" von der Weser, der seit zig Jahren Bob Dylan und Leonard Cohen zu seinen prägenden Größen zählt. Wie zuletzt Cohen, legte nun Debus "10 New Songs" vor. Und wie einst Dylan, veränderte auch Debus jetzt, 62 jährig, seinen persönlichen, vielen vertrauten Sound. Aber keine Angst: Alles, was wir an seinen Liedern lieben, das Warmherzige, die "Melancholie in Moll", die so eigene bildhafte Sprache, all das ist noch da. Es trägt nur ein anderes Kleid. Dabei beginnt die CD zunächst sehr vertraut: Helmut Debus eröffnet den eine Fußball-Halbzeit dauernden, einer idealen LP-Länge entsprechenden Reigen mit wenigen Akkorden, ehe die Band einsetzt und atmosphärisch z.B. an Aufnahmen von Joe Henry mit den "Jayhawks" erinnert. Sie trägt nicht nur dieses Lied, das davon erzählt, wie kostbar jeder Lebenstag ist und mit welchen Hoffnungen man einem neuen Tag entgegen sieht. Nichts geht schief bei diesem neuen, rockigeren Klangkosmos, den die drei Jüngeren dem Älteren schenken. Man spürt sofort: Das ist auch ihre Platte, das ist Teamwork im besten Sinne, und man ahnt, mit welcher Freude Debus im Studio war, als diese Songs entwickelt, erprobt und schließlich verewigt wurden. Darunter sind wahrlich Songs für die Ewigkeit, denn kaum jemand singt so eindringlich von Liebe und von der Vergänglichkeit der Zeit, von Windnachtigallen, vom Fliegen ohne Flügel und sinnbildlich davon, wie "wild der Wind" - nicht zu verwechseln mit dem u.a. von Nina Simone gesungenen Hit - doch bisweilen ist. Obendrein singt Debus von Shanghai, von Albatross und sogar vom weißen Elefanten. "Vergeef mi - ik hebb kiene Wöör", heißt es an einer Stelle. Das gilt nun gewiss nicht für Helmut Debus, der auch diesmal so wunderbare, in Kopf und Herz fließende Geschichten entwirft, dass man sie nicht mehr los wird. Schon gar nicht das Bild von dem Kind, das ein Stück Butterkuchen auf ein Grab legt. Wie wunderbar, dass es diese CD jetzt in der Welt gibt, und wie großartig, dass sie so herrlich klingt, und dass man sie sogar, wenn man denn möchte, auch mal so nebenbei hören kann! "Dreihen un Weihen" ist große, Trost und Lebensfreude spendende, wahrhaftige Kunst und so formvollendet, dass man nur den Hut ziehen und mit Debus beherzt ausrufen mag: "Werft die Gläser in die Luft". Chapeau ! Michael Tiefensee, Eningen, Januar 2012